Ein tolles Buch und 40 Jahre Alien.
Draußen ist es schön. Nebenan wird übers Internet Dungeons und Dragons gespielt, teilweise panisch. Ich habe gestern für rund sechs Stunden versucht einen Elfen wiederzubeleben und dabei keinen Bürgerkrieg auszulösen. Ich bin im Prozess zehn Jahre gealtert, sehr guter Zeitvertreib.
Auf der anderen Straßenseite fährt ein Kind auf einem elektrischen, winzigen Motorrad. Es hat einen kleinen, sehr nervigen Motor. Die nächsten Wochen werden sehr busy, es gab grünes Licht. Das hier ist der 125. WEEKLY PLANET. Willkommen.
Annabel Lee. Kvinde liggende på stranden, (Ca. 1881) - Manet, Édouard
DRAGONS EAT EVERYTHING Update
Ich gebe zu, dass ich die Website etwas vernachlässigt habe. Aber das ist niemandem so sehr aufgefallen, dass sie Bescheid gesagt hätten. Also, hoppla?
- Ein Interview mit Christian Holden von der wunderbaren Band The Hotelier
- Die Playlist zur 180. Sendung ALL YOU CAN EAT, inklusive einer aktualisierten Master Playlist.
- Im 50. NERD FEUILLETON reden wir über Dune, Tales from the Loop, Stardew Valley und Artemis Fowl.
Jeden Tag, gefühlt zur selben Zeit, fährt ein Mann durch die Straße, vor ihm surrt ein ferngesteuertes Auto. Das Auto ist schneller und lauter als er. Es hat was von Gassi gehen.
The Ten Thousand Doors of January von Alix E Harrow
Vor ein paar Monaten hat eine Kollegin sehr doll von diesem Buch geschwärmt. So sehr, dass sie es als persönliches Lieblingsbuch 2019 auf den entsprechenden Tisch gelegt hat. Jetzt habe ich es auch gelesen und kann die Gefühle gut nachvollziehen.
Die Geschichte spielt um die letzte Jahrtausendwende. Der Vater von January Scaller reist für den reichen Mr. Locke um die Erde, um lang vergessene Schätze ausfindig zu machen und so die Sammlung von Locke zu vergrößern. January ist daher die meiste Zeit alleine im großen Haus von Mr. Locke, der die eine oder andere sehr strenge Hausfrau anstellt, um dem anfangs noch sehr störrischen jungen Mädchen Herr zu werden. Hinzu kommt, dass January nicht wie Mr. Locke eine Weiße Person ist, aber unter seiner Aufsicht das Leben einer Weißen Person im Amerika des frühen 20. Jahrhunderts lebt. Trotz der Wünsche von sowohl Locke als auch den Hausfrauen, nach einer folgsamen, stillen und normalen “Tochter”, behält January einen Hauch von Widerstand. Nicht zuletzt, weil sie auf einem Ausflug durch eine Tür in eine andere Welt tritt. Dann verschwindet ihr Vater, January merkt, dass sie die Realität mit geschriebenem Wort verändern kann und die archäologische Gesellschaft um Mr. Locke stellt sich als nicht so freundlich heraus, wie von January erhofft. Es folgen Flucht, ein Asylum und so manches weiteres Abenteuer in dieser und anderen Welten.
Bretagne-pige ordner planter i et drivhus, 1884 - Petersen, Anna
Von den Türen in andere Welten scheint sehr viele zu geben. Durch sie kommen Veränderung und Wunder in unsere graue Gesellschaft, aber auch düstere Gesellen. Über die Türen lernen wir zusammen mit January aus einem Buch: “The Ten Thousand Doors: Being a Comparative Study of Passages, Portals, and Entryways in World Mythology”. Was Anfangs sowohl für Lesende als auch für January etwas hochtrabend und anstrengend klingen mag, verliert schnell den Schein einer akademischen Arbeit und erzählt dann eine sehr persönliche Geschichte. Beide Erzählungen sind natürlich eng mit einander verwoben. Die Natur dieser Verbindung zu entdecken, war ein fantastischer Moment.
Alix E. Harrow spielt sehr gerne mit ihren Wörtern und Sätzen. Alles ist sehr schön und ausschweifend beschrieben. Ganz am Anfang legt sie Wert darauf “doors” mit großem D zu schreiben, um ihre Bedeutung klar zu machen. Wie sowas in der deutschen Übersetzung funktionieren wird, ist mir noch nicht klar. Aber das geschriebene Wort bekommt bei ihr und in der Geschichte eine gewisse Macht, die nicht zu unterschätzen ist.
January ist als Hauptperson konfliktreich und durchaus interessant. Sie hat Vatergefühle für Mr. Locke, der sich Jahre lang um sie gekümmert hat und ihr dabei zuzusehen, wie sie mit diesen Gefühlen und den tatsächlichen Ereignissen umgeht, ist spannend. Sie wächst reich und wohl behütet auf und stellt erst im Laufe der Geschichte fest, dass das für eine nicht-weiße Person nicht der Standard ist. Sie hat dennoch von Anfang an einen sehr klaren moralischen Kompass, der ein wenig idealistisch erscheint und von dem nicht ganz klar ist, woher er eigentlich stammt. Gestört hat mich das nicht. Ihre klaren moralischen Vorstellungen helfen sehr dabei, sie als Heldin zu akzeptieren. Eine kleine ignorante Rassistin wäre vielleicht realistischer gewesen, hätte aber sicherlich nicht über die ersten zehn Seiten gerettet.
Mit “The Ten Thousand Doors of January” geht Alix E. Harrow keine neuen Wege. Sie bedient sich vieler spannender Ideen über Türen zu anderen Welten, hinterfragt was es heißt, eine Heldin zu sein und ist am Ende doch Freundin von großer Romantik. Ihre Ideen rund um Veränderung die durch Türen kommt und die Frage nach offenen oder geschlossenen Türen haben mich sehr gut unterhalten. Dazu kommt, dass alles so schön geschrieben ist. Es was wunderbar hier einzutauchen und Sorgen und Nöte woanders zu lassen.
Ich durfte ein Leseexemplar lesen. Das Buch ist bei Orbit erschienen und im Buchladen des Vertrauens erhältlich.
Sommerspiret på Møns Klint. Måneskin, 1831 - Sødring, F.
Linksalat
- zwei feine Texte über Hausarbeit und Corona. Einmal in der taz und einmal bei shehadistan
- Alien ist 40 Jahre alt - den Film gibts bei Netflix und wenn ihr ihn noch nicht gesehen habt, dann macht das. Rechnet nur nicht damit, danach gut schlafen zu können.
- Warum hören wir überhaupt noch neue Musik?
- Wer bekommt Geld, wenn Kunst kostenlos ist?
- Leben als ob die Welt zu Ende geht
- Yay, it’ll all be over by christmas
Die Pokemon Go Wanderer mit ihren Telefonen, einer komischen Stille und dem Akkukabel, das aus der Hose luschert, sie sind meine Favoriten.
Outro
Ohne die Sonne wäre das alles noch mal doller kacke. Regen wäre trotzdem was feines. Nicht für mich, aber für den Boden. Ich hoffe das neue Normal ist gut zu euch und den Menschen, die euch wichtig sind. Lasst euch weder ärgern noch unterkriegen. Wenn adidas keine Miete zahlt, dann könnten Normalsterbliche da auch drüber nachdenken.
Beim nächsten Mal muss ich euch mit Promosachen vollpumpen. Schon mal vorbereiten. Seelisch und moralisch.
bis bald.