Beginnen wir diesen Text mit einem Geständnis: Ich wusste bis vor allzu langer Zeit gar nicht, wer El Hotzo ist. Ich glaube, es war während der Arbeit an der ersten Folge von Doomscroll’d, als die anderen eine Referenz auf den Social-Media-Star droppten und ich sie anstarrte, als würden sie sich in einer mir unbekannten Sprache unterhalten. Ich finde das noch immer faszinierend, dass jemand technisch gesehen berühmt sein kann, sogar berühmt in meiner spezifischen Bubble, und trotzdem komplett an mir vorbeigehen konnte.
Wie auch immer, mittlerweile weiß ich, wer El Hotzo ist, und grundsätzlich finde ich, das ist einer von den Guten. Niemand hat eine 100% Hitrate, aber Hotzos Tweets sind öfter lustig als nicht, und er hat das nahezu übermenschliche Kunststück geschafft, ein Wirtschaftsstudium zu absolvieren und trotzdem normal zu bleiben. Es bringt mir daher ehrlich keine Freude, zu sagen, dass Sebastian Hotz’ kürzlich erschienener erster Roman, Mindset, nicht gerade nahelegt, dass Twitters 280 Zeichen Hotz in seinen Ausdrucksmöglichkeiten groß eingeschränkt hätten.
In Mindset geht es um Maximilian Krach, einen dieser Typen auf halbem Weg zwischen Influencer und Guru, die einsamen Männern zu erklären behaupten, wie sie aus ihrem eintönigen Leben ausbrechen und erfolgreich werden können, vom »Schaf« zum »Wolf« werden können, wie Maximilian es einigermaßen abgedroschen formuliert. Und es geht um Mirko, einen dieser einsamen Männer, und wie er sich, trotz der Bemühungen einer älteren Kollegin, von Maximillians Versprechen einlullen lässt. Die Pointe: Maximillians »Erfolg« ist genau so fiktional wie der der Typen, die seine »Seminare« besuchen, er arbeitet noch immer als Lieferant für Dominos, das angebliche Erfolgscoaching ist — auch, wenn die Beteiligten das zunächst nicht zugeben wollen — in Wahrheit eine Art Selbsthilfegruppe für Männer, die nicht wissen wohin sonst mit ihrer Unzufriedenheit mit ihrem Leben (Hotz liefert durchaus ein paar alternative Vorschläge, die seine Figuren tragischerweise ignorieren, etwa in Form eines
Lieferantenkollegen, der versucht, Maximillian zum Besuch eines Gewerkschaftstreffens zu überreden).
Das ist alles irgendwie gut gemeint. Es bestätigt, dass Hotz im Großen und Ganzen »auf der richtigen Seite steht«. Und auch, wenn Hotz’ Prosa weitestgehend schmucklos ist, gibt es hier und da einen guten Gag (»Selbstverwirklichung ist etwas für Rapsongs und Menschen mit über zwanzigtausend Followern«), eine einprägsame Formulierung (»Der Beginn eines neuen Tages ist auch heute unvermeidbar«), oder eine kluge Beobachtung (»Einzig der Mensch hat im Zuge irgendeiner seiner zivilisatorischen Entwicklungsstufen beschlossen, dass der eigene Körper nicht die Instanz sein sollte, die über die richtige Schlafdauer bestimmt«).